"Puriaie Wali"
Es waren die Meisterschaften aller Sportvereine im Jahre 1355(1976). Wer den ersten Platz einnimmt, erhält einen Geldpreis und die Genehmigung zur Teilnahme an den Landesmeisterschaften. Ibrahim war in Top-Form. Jeder, der auch nur einen Kampf von ihm gesehen hatte bestätigte es. Trainer sagten, daß dieses Jahr in der bis zu 74 kg Gewichtsklasse Ibrahim unbesiegbar wäre. Die Wettkämpfe begannen. Ibrahim besiegte einen nach dem anderen und kam nach vier Kämpfen ins Halbfinale. Entweder er schulterte seine Kontrahenten oder gewann mit einem großen Punkteabstand. Ich sagte zu meinen Freunden: "Seid sicher, daß dieses Jahr ein Ringer von unseren Vereinen Mitglied der Ringer Nationalmannschaft wird". Obwohl Ibrahims Gegner im Halbfinale sehr professionell war konnte er ihn besiegen und ins Finale kommen. Sein Konkurrent im Finale war im selben Jahr Weltmeister der Armeen geworden. Bevor der letzte Kampf begann, ging ich zu Ibrahim in die Garderobe und sagte ihm: "Ich habe mir seine Kämpfe angeschaut, er ist schwach, paß aber trotzdem auf und nehme den Kampf ernst, ich bin mir sicher du wirst für die Mitgliedschaft bei der Nationalmannschaft qualifiziert". Während Ibrahim seine Schuhe schnürte gab ihm sein Trainer letzte Anweisungen. Daraufhin gingen wir alle hinaus und ich setzte mich zwischen die Zuschauer. Ibrahim betrat die Matte. Sein Konkurrent ebenso. Der Kampfrichter war noch nicht da. Ibrahim ging vor und begrüßte lächelnd seinen Gegner und schüttelte ihm die Hand. Er wiederum sagte irgend etwas zu Ibrahim, was ich nicht mitbekam. Ibrahim nickte zur Bestätigung mit seinem Kopf. Sein Konkurrent zeigte in Richtung Zuschauer! Ich drehte mich auch um und schaute ebenfalls in diese Richtung. Ich sah eine einsame, alte Frau mit einer Gebetskette in der Hand. Ich wußte nicht worüber sie gesprochen hatten und was passiert war. Ich sah nur wie Ibrahim den Kampf sehr schlecht begann und sich nur verteidigte. Sein hilfloser Trainer schrie ihm so oft Anweisungen zu, daß er zum Schluß keine Stimme mehr hatte. Ibrahim nahm das Geschreie überhaupt nicht wahr und vernichtete nur die Zeit! Sein Kontrahent, der sich zu Anfang sehr ängstlich gezeigt hatte, wurde immer mutiger und griff an. Ibrahim aber blieb ganz gelassen in der Defensive. Der Kampfrichter gab Ibrahim die erste Verwarnung und dann die zweite. Zum Schluß erhielt er die dritte Verwarnung und verlor den Kampf. Als der Kampfrichter die Hand des Siegers hochhielt freute sich Ibrahim so sehr als hätte er den Meistertitel errungen! Die beiden Ringer umarmten sich.Vor Freude weinend fiel Ibrahims Gegner ihm zu Füßen und küßte dann seine Hand! Beide Ringer waren dabei die Halle zu verlassen, als ich vom Zuschauerplatz heruntersprang und wütend in Richtung Ibrahim lief. Ich schrie:" Warum hast du so gekämpft?" Leicht schlug ich auf seine Schulter und sagte, wenn er nicht ringen möchte, sollte er es sagen und uns nicht einfach die Zeit rauben. Ibrahim war ganz gelassen und mit seinem typischen Lächeln sagte er:" Reg dich nicht auf.” Danach zog er sich in der Garderobe um und verließ sie sehr schnell. Wütend schlug ich mit den Fäusten auf Tür und Wand, dann setzte ich mich enttäuscht in eine Ecke. Fast eine halbe Stunde war vergangen als ich mich endlich beruhigt hatte, dann setzte ich mich auch in Bewegung. Vor dem Sportplatz war noch viel Betrieb. Ibrahims Gegner im Finale, seine Mutter und eine Menge von seinen Verwandten und Freunden standen fröhlich beisammen. Plötzlich rief mich genau dieser Junge, ich drehte mich um und sagte mit verzerrtem Gesicht "ja, bitte?" Er kam in meine Richtung und fragte: "Sie sind Ibrahims Freund , richtig?". Ja, was möchten Sie!?" sagte ich zornig. Ohne Einleitung sagte er:" Sie haben aber einen bewunderswerten Freund! Ich habe Herrn Ibrahim vor dem Finale gesagt, daß ich keine Chance ihm gegenüber habe und dass er doch bitte Rücksicht nehmen möchte, meine Mutter und mein Bruder würden vom Zuschauerplatz den Kampf verfolgen und ich möchte vor ihnen nicht klein dastehen. Ihr Freund hat wirklich Großzügigkeit gezeigt. Sie wissen nicht, wie sehr meine Mutter sich gefreut hat". Dann brach er in Tränen aus. Er sagte:“ Vor kurzem war auch meine Hochzeit und ich brauchte sehr dringend diesen Geldpreis, ich bin unheimlich froh deswegen". Ich wußte nicht was ich sagen sollte und schaute ihn nur an. Erst jetzt wußte ich worum es ging und sagte:" Mein Freund, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich das nach einem so harten Training nicht getan. Solche Taten werden nur von großen Menschen begangen, wie Ebrahim. Ich verabschiedete mich von dem Jungen. Seine Mutter lächelte und war vollkommen glücklich. Ich dachte an Ibrahims Tat und sagte mir, so eine Aufopferung ist unvorstellbar! Ich erinnerte mich an das harte Training und an die Schwierigkeiten, die Ibrahim ausgehalten hatte. Als das Gesicht der alten Frau und ihre Fröhlichkeit wieder in meinen Sinn kam, begann ich auf einmal zu weinen. Ibrahim ist wirklich ein besonderer Mensch!