Der Einfluss des Wortes

 

Seit des Revolutionssieges waren gerade ein paar Monate vergangen. Ein Freund teilte mir mit, daß wir alle morgen zur Sportorganisation gehen sollen, Herr Dawoudi (Vorsitzender der Organisation) hätte uns etwas mitzuteilen. Am Morgen des nächsten Tages erhielten wir die Adresse und fuhren direkt dorthin. Herr Dawoudi, der damals auch Ibrahims Sportlehrer war, empfing uns sehr herzlich. Ohne große Einleitung, begann er zu reden. Er meinte, es wäre doch passend, wenn wir als Sportler und Revolutionäre hier in dieser Organisation Verantwortung übernehmen würden. "Wir wollen euch das Revisionsbüro der Organisation überlassen", sagte Herr Dawoudi. Wir besprachen uns kurz und sagten dann zu. Unsere Arbeit begann schon am nächsten Tag. Bei Problemen holten wir uns Rat bei Herrn Dawoudi. Es war ein unvergesslicher Tag. Ibrahim trat in das Revisionssbüro und fragte mich:" Was machst du gerade?" "Nichts besonderes, ich schreibe einen Brief für eine Amtsenthebung". "Wessen Amtsenthebung soll das sein?", fragte er weiter. "Es wurde berichtet, daß der Vorsitzende einer der Föderationen mit abstoßenden Kleidern ( was die islamisch-revolutionären Verhältnisse jener Zeit betrafen) zur Arbeit erschiene und auch kein angemessenes Verhalten gegenüber den Beamten, vor allem gegenüber den Frauen, hätte. Man soll auch berichtet haben, daß diese Person eine gegnerische Einstellung gegenüber der Revolutionsbewegung habe und daß dazu seine Frau kein "Hijaab" (die islamische Verschleierung) trüge. Während ich den Bericht formulierte, sagte ich, es wäre sicherlich auch gut eine Abschrift dem Revolutionsrat zu senden. Ibrahim fragte, ob er den Bericht sehen könnte. Ich sagte:" Hier, das ist der Bericht, und dies hier ist die Amtsenthebung! Er schaute sich den Bericht gründlich an und fragte:" Hast du selbst diese Person gesehen?" "Nein, das ist nicht nötig, alle wissen was für ein Mensch er ist!" entgegnete ich ihm. Ibrahim antwortete:" So einfach geht das nicht, hast du nicht gehört, daß nur Lügner, all das, was sie hören, bestätigen!" "Ja, aber unsere Kollegen von der entsprechenden Föderation haben uns dies mitgeteilt...". Ibrahim unterbrach mich und verlangte von mir die Adresse der Person. "Komm, wir gehen heute Nachmittag dorthin und sehen uns an wer diese Person ist und was er zu sagen hat! Ich schwieg ein paar Momente und sagte dann zu. Nachmittags, nach der Arbeitszeit, fuhren wir mit meinem Motorrad dorthin. Wir suchten gerade in der angegebenen Gasse nach seinem Haus, als die Person aufeinmal selbst erschien. Ich konnte ihn durch das an den Bericht angeheftete Bild von ihm erkennen. Er fuhr seinen Mercedes Benz vor die Haustür, seine Frau, die so gut wie kein Hijaab trug stieg aus, dann parkte er sein Fahrzeug auf seinem Parkplatz. "Siehst du Ibrahim, ich habe dir doch gesagt, daß bei ihm irgendetwas nicht in Ordnung ist!" Ibrahim aber meinte, für eine Beurteilung wäre es noch zu früh. Ich stellte mein Motorrad vor das Haus und Ibrahim klingelte. Der Mann, groß und glattrasiert, kam an die Tür. Er war sehr erstaunt darüber, Leute wie uns in dieser Gegend zu sehen und fragte: "Ja, Bitte?"  Ich sagte zu mir selbst, wenn ich an Ibrahims Stelle wäre, hätte ich dem Mann Ärger gemacht. Ibrahim entgegen begrüßte ihn mit einem Lächeln auf den Lippen seelenruhig und sagte dann:" Ich bin Ibrahim Hadi und habe ein paar Fragen an Sie." "Ihr Name kommt mir sehr bekannt vor! Ich habe ihn in den letzten Tagen mehrmals gehört, ich glaube, es war in der Organisation, im Revisionsbüro, richtig?!" Ibrahim lachte und sagte, ja. Der arme Mann geriet völlig in Verlegenheit. Er bat uns ständig hereinzukommen aber Ibrahim antwortete:" Vielen Dank, das ist nicht nötig.” Dann begann Ibrahim zu reden. Ungefähr eine Stunde redete er ohne zu bemerken, wie die Zeit verging. Ibrahim redete einfach über alles und führte auch für jeden Fall das entsprechende Beispiel an. Er sagte:" Sehen Sie mein Freund, ihre Frau gehört nur ihnen und dient nicht zur Schaustellung für andere! Wissen Sie, wieviele junge Leute der Gefahr ausgesetzt sind eine Sünde zu begehen, wenn sie ihre Frau so, ohne Hijaab, sehen?!  Außerdem sollten Sie als Vorsitzender der Beamten keine schlechten Sachen sagen oder verdorbene Witze erzählen und das auch noch in Anwesenheit der Beamtinnen. Sie waren damals Sportmeister, aber ein wahrer Held ist der, der schlechte Taten verhindert." Ibrahim redete auch von der Revolution, von dem vergossenen Blut der Märtyrer, von Imam Khomeini und von den Feinden des Landes. Der Mann bestägtigte Ibrahims Aussagen. Zum Schluß sagte Ibrahim:" Hier, das ist ihre Amtsenthebung.” Schockiert schluckte der Mann und schaute uns erstaunt an. Ibrahim lächelte und zerriß den den Brief! Dann sagte er: "Mein lieber Freund, denke einfach an meine Worte!" Wir verabschiedeten uns. Als wir losfuhren schaute ich noch einmal zurück und sah, daß der Mann immer noch vor seiner Haustür stand und uns hinterherschaute. Ich sagte: "Ibrahim, mit deiner Rede hast du sogar mich beeindruckt.” Er lachte und sagte:" Ach, das war Gottes Wille, er hat mir die Worte auf die Zunge gelegt. Inshallah, haben sie gewirkt". Er fuhr fort:" Sei sicher, daß nichts so gut wie vorzügliches Verhalten Wirkung auf die Menschen hat. Hast du nicht im Koran gelesen, wo Gott zu seinem Propheten sagt, wenn du ein hartes Verhalten gehabt hättest, hätten dich alle verlassen. " Wir sollten mindestens das Benehmen des Propheten erlernen".

***

Ein, zwei Monate später kam ein neuer Bericht von der Föderation. Ihr Chef hätte sich völlig verändert. Sein Verhalten und sein Benehmen. Sogar seine Frau käme mit islamischer Kleidung zum Amt! Ich gab Ibrahim den Bericht und wartete auf seine Reaktion. Nachdem er den Bericht gelesen hatte, sagte er, Gott sei Dank und wechselte sofort das Thema. Ich aber wußte , daß Ibrahims Aufrichtigkeit dazu geführt hatte und das seine offenherzigen Worte den Chef zu einem Umdenken gebracht hatten.

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