Der „Al-Mahdi“-Stadtteil

Ein Monat war seit Kriegsbeginn vergangen. Ibrahim fuhr mit Hadj Hassan und einigen anderen Kriegskameraden  in den Stadtteil „Al-Mahdi“ , in der Nähe der Sahab-Brücke. Dort bauten sie zum Schutz vor dem Feind Verteidigungsgräben. Das morgendliche Gemeinschaftsgebet war bereits vollzogen worden und alle suchten  Ibrahim! Erstaunt fragte ich:“ Was ist passiert?“  Sie sagten:“ Seit Mitternacht ist Ibrahim verschwunden!“ Ich suchte mit den anderen Kameraden die Gräben ab und wir schauten ebenfalls in die Wachtürme, von Ibrahim aber war keine Spur! Eine Stunde später sagte einer der Wachhabenden:“ Aus den Gräben gegenüber kommen einige Personen in diese Richtung! Dann sahen wir dreizehn gefesselte irakische Soldaten! Hinter ihnen waren Ibrahim und ein anderer unserer Kameraden! Sie trugen eine Menge Waffen, Handgranaten und Munition mit sich. Niemand konnte glauben, daß Ibrahim mit Hilfe einer Person so eine Heldentat vollbracht hatte! Und vorallem in einer Zeit wo im Al-Mahdi-Stadtteil Waffen- und Munitionsmangel herrschte. Einer unserer Kameraden freute sich überaus und verpaßte dem ersten irakischen Soldaten eine kräftige Ohrfeige, dann sagte er:“ Du irakischer Söldner!“ Für einen Moment schwiegen alle. Ibrahim, der weiter weg gestanden hatte, kam nach vorne, legte die Waffen ab und schrie dann:“ Warum hast du ihm ins Gesicht geschlagen!? Der junge Mann war völlig erstaunt und sagte:“ Was habe ich denn gemacht? Er ist doch unser Feind.” Ibrahim schaute in sein Gesicht und sagte:“ Erstens war er unser Feind und jetzt ist er unser Gefangener, zweitens wissen sie überhaupt nicht, warum sie gegen uns kämpfen. Mußt du dann so mit ihnen umgehen?!“ Der junge Soldat entschuldigte sich nach einem Moment des Schweigens. Daraufhin drehte er sich um und küßte dem irakischen Soldat auf die Stirn und bat ihn um Verzeihung. Der irakische Soldat, der das Ganze mitangeschaut hatte, starrte Ibrahim an. Sein Blick enthielt viele Worte!

 

***

Zwei Monate nach Kriegsbeginn nahm Ibrahim Urlaub. Wir besuchten ihn mit unseren Freunden und redeten über seine Erinnerungen und über die Geschehnisse des Krieges. Über sich selber sprach er überhaupt nicht. Als aber von den Gebeten und dem Gottesdienst der Kriegskameraden gesprochen wurde, lachte Ibrahim plötzlich und erzählte:“ Im Al-Mahdi-Stadtteil, gleich in den ersten Tagen, schloßen sich uns fünf junge Soldaten an. Sie waren alle zusammen aus einem Dorf an die Front gekommen. Es vergingen einige Tage und ich bemerkte, daß sie ihre Pflichtgebete nicht verrichteten. Also sprach ich mit ihnen. Sie waren ganz einfache und sehr naive Menschen. Sie konnten nicht einmal schreiben und lesen und wußten ebenso nicht, wie das Gebet zu vollziehen ist. Sie waren nur aus Liebe zu Imam Khomeini in den Krieg gezogen.Nachdem wir mit ihnen geredet hatten, wollten sie gerne lernen wie man betet. Ich brachte ihnen die rituelle Waschung bei und rief nach einem meiner Kameraden, dann sagte ich zu ihnen:“ Dies hier ist euer Vorbeter. Macht das, was er macht. Ich stelle mich neben euch und wiederhole laut die zum Gebet gehörenden Formeln, damit ihr sie lernt. Als Ibrahim diesen Punkt seiner Erzählung erreichte konnte er sein Lachen nicht mehr unterdrücken. Minuten später fuhr er fort:“ Bei dem Gebet, als der Vorbeter anfing sich den Kopf zu kratzen, sah ich, wie alle fünf das gleiche taten!!“ Ich mußte unheimlich lachen, aber ich versuchte mich zu kontrollieren. Dann als der Vorbeter sich vom Sujud erhob, klebte auch noch der Gebetsstein an seiner Stirn und fiel dann auf den Gebetsteppich. Er beugte sich nach links, um nach seinem Stein zu greifen. Alle fünf beugten sich auch nach links und streckten ihre Hand aus! Da war es mit meiner Kontrolle vorbei und ich platzte vor Lachen!

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