Die Pilgerfahrt

Es war das erste Jahr des Krieges als wir uns mit einigen Kameraden des Andarzguh-Teams früh am Morgen in die Berge im Norden von Gilangharb begaben. Wir lagerten auf einem Hügel an der Grenze. Der Wachturm dort war unter die Kontrolle der Iraker geraten. Irakische Fahrzeuge fuhren ohne Schwierigkeiten durch die Gegend. Ibrahim öffnete sein kleines Doa-Buch und wir lasen alle zusammen die Ziarate Aschura. Anschließend, mit einem schmerzhaften Blick auf die von den Irakern besetzten Gebiete sagte ich traurig:“ Wird es wohl möglich sein, daß eines Tages wieder unsere Landsleute auf diesen Straßen zu ihren Städten fahren können! Es schien, als ob Ibrahim meine Worte überhaupt nicht wahrnahm. Er schaute in die Ferne und sagte:“ Was redest du da! Es wird ein Tag kommen, an dem unser Volk in Scharen über diese Straßen nach Karbala reisen werden! Auf dem Rückweg fragte ich alle:“ Wißt ihr wie der Name dieses Wachturms ist?“. Einer sagte:“ Khosrawi“. Zwanzig  Jahre später, auf einer Reise nach Karbala fuhren wir an dem gleichen Hügel vorbei, auf dem wir mit Ibrahim die Ziarat Aschura gelesen hatten! Ich spürte Ibrahims Anwesenheit. Nun fuhren die Menschen in großen Gruppen mit Bussen zur Grenze, um von dort nach Karbala weiter zu reisen! Genau wie er gesagt hatte.Immer wenn wir in Teheran waren, besuchte Ibrahim in der Nacht auf Freitag das Grabmal von Hazrate Abdol-Azim. Er meinte:“ Die Nacht auf Freitag, ist die Nacht der Gnade Gottes, die Pilgernacht Imam Hosseins (a.s), die Nacht in der sich die Gott Nahestehenden und die Engel nach Karbala begeben. Und wir gehen jetzt das Grabmal Abdol-Azims besuchen, worüber die Familie des Propheten gesagt hat:“Es hat den gleichen Lohn wie die Pilgerfahrt nach Karbala. Er las dort das Doa Komeil und um ein Uhr Mitternacht kam er wieder zurück. Als das Basiji-Programm anlief, ging er immer direkt vom Grabmal zur Moschee und zu den Basijis. An einem dieser Abende verließen wir das Grabmal zusammen. Ich hatte mir das Motorrad meines Freundes geliehen und fuhr damit eilig zur Moschee. Doch Ibrahim kam erst Stunden später an. Ich fragte ihn, warum er so spät gekommen sei? Er sagte:” Ich wollte unterwegs auch das Grabmal Scheikh Sadughs besuchen. Die älteren Tehraner sagen, daß Imam Mahdi (a) donnerstagsnachts dieses Grabmal besuchen kommt. Ich fragte ihn dann:“ Du hattest es doch so eilig um zur Moschee zu kommen, warum bist du dann zu Fuß gegangen, hatte es einen bestimmten Grund?! Er sagte dann auf unser Drängen hin:“ Nachdem ich den Platz verlassen hatte kam ein sehr armer Mann zu mir. Ich gab ihm das Geldbündel, das ich in meiner Hosentasche hatte. Als ich ins Taxi stieg, bemerkte ich, daß ich kein Geld mehr habe und bin wieder ausgestiegen und zu Fuß gekommen!

***

In der letzten Zeit machten wir jede Woche zusammen diese Pilgerfahrt. Am Ende gingen wir dann mitternachts zum Behescht Zahra Friedhof und besuchten die Gräber der Märtyrer wobei  Ibrahim für uns Trauerlieder sang. In manchen Nächten legte er sich auch in ein Grab und las dort weinend das Doa Komeil.

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